Die stehen unter Naturschutz!!!

Nachdem ich meine Gedanken zu den Pilz-Quoten niedergeschrieben hatte, fiel mir noch eine Begebenheit ein, die schon über 10 Jahre zurück liegt. Damals hatte ich an einer Stelle, an der gelegentlich Steinpilze zu finden waren, einen Röhrenpilz gefunden und abgeschnitten, den ich für einen der besagten Edelpilze hielt. Zu Hause war ich mir aber nicht mehr so sicher – aus mehreren Gründen. Zunächst einmal war die Kappe nicht nach oben gewölbt, sondern leicht eingedrückt. Die Röhren waren schneeweiß und sehr fest, und der knubbelige Stiel hatte einen Hohlraum. Ich bemühte mein Pilzbuch und identifizierte den Hasenröhrling – auch ein sehr schmackhafter Speisepilz.

Der leider unter Naturschutz stand und nicht gesammelt werden durfte!

Ich hatte ein schlechtes Gewissen, und das ist nicht ironisch gemeint, denn ich bin wirklich ein sehr gesetzestreuer Bürger. Aber ich war diesem Pilz noch nie begegnet, und ich wusste auch nicht, dass es überhaupt Pilze gab, die man von Gesetz wegen nicht sammeln darf. Natürlich brachte ich den Pilz nicht zurück, denn ich hatte ihn bereits gemeuchelt und würde ihn nicht dazu kriegen, wieder anzuwachsen. Also aß ich ihn, um ihm die letzte Ehre zu erweisen!

In den Folgejahren sah ich die Pilzsorte ab und zu wieder und bedeckte die Exemplare pflichtschuldigst mit Laub, damit sich nicht ein anderer Delikatessen-Sucher versehentlich von ihm täuschen ließ. Allerdings konnte ich damit nicht verhindern, dass einige der seltenen Gewächse von Hunden angepinkelt oder einfach platt getreten wurden. Das ist Pech für den Pilz, verstößt aber nicht gegen Gesetze!

Diese Anekdote dient dazu, sich ein paar Gedanken über den Naturschutz zu machen, oder, genauer gesagt, über die Gesetze zum Naturschutz. Grundsätzlich bin ich ein großer Naturschutzbefürworter, und ich verfolge mit Sorge die rückläufigen Insektenvorkommen und Vogelbestände. Aber ich habe ein kleines Problem mit den „Listen“. Ich will das Ganze mal etwas aufschlüsseln.

Schon in meiner Kindheit gab es Naturschutz, obwohl sich noch keine Volkspartei diese Aufgabe auf die Fahne geschrieben hatte. So habe ich von meiner Mutter den Satz: „Das darfst Du nicht pflücken, das steht unter Naturschutz!“ immer wieder gehört, und zwar (soweit erinnerlich) bei folgenden Pflanzen:

Fingerhut

Maiglöckchen

Rohrkolben-Schilf

Das hat sich eingeprägt, und ich folge dem Verbot bis heute, obwohl sich die Zeiten geändert haben. So weiß ich inzwischen, dass Rohrkolben und Schilf keineswegs streng geschützt sind, weil sie sich mit den bloßen Händen gar nicht ausrotten lassen! Sie verbreiten sich wie Unkraut, genau wie das Maiglöckchen, das deshalb nur da strengstens geschützt ist, wo es gar nicht mehr vorkommt (das ist kein Witz!). Nur der Fingerhut ist nach wie vor auf der Liste der geschützten Arten, aber auch er ist wenig bedroht, weil er hoch giftig ist und darum als Schnitt- oder Gartenblume eher weniger beliebt.

Das mit den geschützten Pilzen ist (wie bereits im Kapitel „Pilze“ erwähnt) für mich völlig neu, und mit Entsetzen habe ich festgestellt, dass weitere Edelpilze auf der Liste stehen. Gleiche Beschränkungen gelten für Pfifferlinge, Birkenpilze und Rotkappen. Diese wachsen bevorzugt in einer Kiefern-Schonung in der Nähe, die von Birken durchsetzt ist (die breiten sich auch überall aus, wachsen sogar in Regenrinnen, sind aber als Sonderform ebenfalls geschützt). Die Schonung wurde vor Jahren brutal ausgedünnt. Das macht man so in der Forstwirtschaft, damit die übrig gebliebenen Bäume mehr Platz zum Wachsen haben. Der Waldboden wurde jedoch dabei so massiv malträtiert, dass seit dem keine Pilze mehr auftauchen. Ich verstehe ja die Waldbesitzer, die aus ihrem Besitz Kapital schlagen wollen. Und selbst wenn sie von der Existenz der Bodenflora Kenntnis hatten, würden sie sich kaum ins eigene Bein schießen und zum Umweltamt pilgern, um zu vermelden: „In meinem Wald wachsen Pilze!“ Da aber sehr viele Waldflächen zur Bewirtschaftung angelegt wurden, ist ein „Pilz-Schutz-Liste“ in meinen Augen witzlos. Und will man wirklich dem Gourmet das Sammeln der Pilzfrüchte untersagen, wenn der Waldbesitzer durch seine Aktionen gleich das gesamte Pilzgeflecht zerstört? Da sollte man die Kirche doch mal im Dorf lassen!

Es gibt auch Bäume, die unter Naturschutz stehen. Das ist an sich eine tolle Sache, nur leider können Biber nicht lesen. Ich bin mir zwar sicher, dass die Nager Baumsorten unterscheiden können und die geeignetsten für ihre Zwecke auswählen und anknuspern, aber sie scheren sich sicher einen feuchten Kehricht darum, ob sie es auch dürfen! Der durchschnittliche Bürger dagegen hat wenig Interesse, einen Baum zu fällen, und in der Regel auch nicht das passende Werkzeug zur Hand. Dass er nicht mit dem Auto gegen Bäume fahren soll, weiß er, und beherzigt es so gut er kann. Darum finde ich nicht, dass man die Rote Liste der Bäume auswendig kennen muss.

Kommen wir zu den Büschen oder Sträuchern. Als ich die Liste gelesen habe, war ich sehr überrascht, was alles zu den heimischen Gewächsen gehört, denn die meisten kenne ich nur aus dem Gartencenter, aber nicht aus der Wildnis. Dabei kam mir in den Sinn, dass der fleißige Hobby-Gärtner ja auch mal ein paar Eiben und Buchsbäume in den Wald pflanzen könnte. Diese Gewächse brauchen keine besondere Pflege, und der Bestand würde sich dann sicher erholen. Es sei denn, es kommt der Buchsbaum-Zünsler! Der interessiert sich leider auch nicht für die Liste der geschützten Arten. Warum die Stechpalme auf der „Roten Liste“ steht, kann ich mir nicht erklären. Da im Gegensatz zum angelsächsischen Raum diese Pflanze bei uns nicht traditionell Weihnachten zu Dekorationszwecken verwendet wird, kann ich mir keinen Grund vorstellen, warum jemand sie pflücken sollte. Sie piekst, und ihre Beeren sind giftig!

Bei den Blumen, Gräsern und Farmen gibt es auch reichlich schützenswerte Sorten. Bei einigen war mir der Naturschutz bekannt (auch wenn der Enzian mich nicht weiter tangiert, weil er im brandenburgischen Flachland nicht wachsen will), aber bei einigen Arten war ich auch sehr überrascht. So ist z.B. die wilde Primel, auch Schlüsselblume genannt, streng geschützt. Ich habe sie im Garten und keine Ahnung, wo sie hergekommen ist. Anfangs dachte ich, dass sich die Zuchtprimeln, die ich im Spätfrühling abgeblüht im Garten aussetze, irgendwann in ihre Urform zurück entwickelt haben, aber das erklärt nicht, warum sie in Teilen des Garten aufgetaucht ist, die ich gar nicht pflege. Und sie vermehrt sich zuverlässig und zahlreich wie die Akelei, die ebenfalls kleine schwarze Samenkügelchen produziert (aber nicht unter Naturschutz steht).

Es gibt aber auch reichlich geschützte Pflanzen, die ich noch nie gesehen habe, darum verstehe ich, dass sie schützenswert sind. Einige Pflanzen kenne ich aber gut, denn sie wachsen auf den wilden Wiesen am See und hinterm Wald, wie z. B. die Grasnelke und die Silberdistel (um nur zwei sehr markante Sorten zu nennen). Beide Pflanzen sind ziemlich bekannt und schwer zu übersehen. Trotzdem werden beide Wiesen 1-2 x im Jahr gemäht, selbst wenn viele Wildblumen noch blühen. Wer erlaubt das denn? Wozu setzt man Pflanzen auf eine Liste der gefährdeten Arten, wenn sich niemand darum schert? Ich habe die Zerstörung der wilden Wiesen als eine der Ursachen für den Insektenschwund im Verdacht, denn Pestizide und andere Gifte werden bei uns nicht eingesetzt, weil es fast keine Felder oder Landwirtschaft gibt.

Zum Abschluss der Flora muss ich noch das Moos erwähnen. Ich liebe Moos, weil es weich und fluffig ist. Wären nicht so viele Kiefernnadeln darin verborgen, würde ich barfuß durch den Wald gehen. Mein Nachbar mag Moos nicht, weil es regelmäßig seinen Rasen infiltriert und die zarten Pflänzchen verdrängt. Ich wäre froh, wenn ich wenigstens Moos hätte, dann wäre der Boden zumindest teilweise grün. Aber das tut jetzt nichts zur Sache! Moos steht unter Naturschutz, und zwar fast alle Arten. Das verstehe ich auch mal wieder nicht, denn erstens ist Moos eine sehr vermehrungsfreudige Pflanze, die schon nach wenigen Jahren im Wald alles überwuchert, was absichtlich oder aus Versehen auf dem Boden landet. Zweitens kenne ich niemanden, der im Wald Moos großflächig erntet oder auf eine andere Art vernichtet. Drittens scheint Moos ziemlich robust zu sein, denn selbst wenn die Pilzsucher in Scharen durch den Forst marschieren sieht der Boden am Folgetag aus wie immer. Ich halte Moos als Sammelbegriff nicht für eine gefährdete Gattung.

Den roten Listen der Fauna widme ich lieber ein eigenes Kapitel, denn dabei geht es um Interaktion und Wechselwirkungen, und das ist sehr kompliziert. Zusammenfassend möchte ich nochmal betonen, dass mir Naturschutz wirklich am Herzen liegt. Aber ich wage zu bezweifeln, dass das Anlegen einer „Roten Liste“ irgendjemanden zum Nachdenken bewegt. Und wenn es niemanden gibt, der auf die Einhaltung der Gesetze achtet, kann man sie sich gleich schenken. Wo kein Kläger, da kein Richter, da keine Konsequenz. Es lebe der Baum!