Motorcross

Vor einigen Jahren, als meine Kinder beide noch die Grundschule besuchten, gab es ein „Trendfahrzeug“, das coole Eltern ihren Kindern kaufen konnten. Und wir waren natürlich coole Eltern. Es handelte sich um Mini-Motorräder, sogenannte Dirt-Bikes. Sie waren nicht größer als ein Laufrad für Kleinkinder, aber voll motorisiert. „Natürlich“ war es als Spielzeug für Erwachsene gedacht, aber jeder halbwegs normal große Volljährige saß darauf wie ein Frosch, die Knie höher als die Ohren. Für den Straßenverkehr waren sie selbstverständlich nicht zugelassen. Sie waren genauso wenig dafür geeignet, seine Kinder damit im Garten rumknattern zu lassen, weil die kleinen Höllenmaschinen viel zu schnell liefen. Aber nur Personen bis etwa 1,40 m konnten die Geräte überhaupt sicher beherrschen.

Ganz ehrlich: ich fand mich zwar als Mutter cool, aber ich hätte so ein Geschoss niemals gekauft. Doch mein Mann war ein begeisterter Motorradfahrer und fand, damit könne man die Liebe der Kinder zu motorisierten Zweirädern wecken. So gab es zu Weihnachten für beide Kinder ein Miniatur-Benzinfahrzeug und einen vernünftigen Motorradhelm. Als die Temperaturen es zuließen, wagten wir einen Ausflug. Hinter dem Wald gibt es einen Sandweg, der kaum benutzt wird. Dort sollten die kleinen Wilden mal ihr Geschenk ausprobieren. Da es sich um einen öffentlichen Weg handelte, war es eigentlich verboten. Es dauerte auch nicht lange, bis der Dorfpolizist auf der Matte stand, und das Training unterbrach. Im Grunde meines Herzens fand ich, dass er Recht hatte, denn das Mini-Motorrad war mindestens genau so laut wie ein normales. Die Geräusche waren dann wahrscheinlich auch bis ins Dorf zu hören gewesen und hatten den pflichtbewussten Gesetzeshüter angelockt. Jedenfalls setzten wir unsere Schulung auf einer Motor-Cross-Rennstrecke fort, die einige Kilometer entfernt liegt. Für diese Anlage war das Gefährt dann eher unterdimensioniert. Um es kurz zu machen: wir verkauften das Teil ziemlich schnell wieder, und die Kinder protestierten nicht. Ein Spielzeug, dass gefährlich ist und mit dem man nicht spielen kann, wann und wie man will, ist doof!

Trotzdem ist das Cross-fahren mit Motorrädern bei uns sehr beliebt, auch wenn ich bezweifele, dass es sich bei den Bikern um Ortsansässige handelt. Die Motorräder sind immer große Enduros ohne Nummernschild, also tippe ich auf Sportler, die mal ein bisschen mit ihrem Sportgerät trainieren – abseits der dafür vorgesehenen Rennplätze. So wie ein Reiter ja auch nicht immer nur auf dem Reitplatz seine Runden dreht, sondern gerne mal über weite Wiesen galoppiert. Nur leider gibt es einen Unterschied zwischen Pferden und Pferdestärken: Letztere sind schneller und haben darum einen längeren Bremsweg! Und sie sind extrem viel lauter.

Der Weg vor unserem Grundstück war bis zur Dorfstraßensanierung ein Sandweg mit vielen Schlaglöchern – ein Paradies für Cross-Fahrer! Zu allen vorstellbaren Tages- und Nachtzeiten, gerne auch Sonntagsvormittags, ließen die Zweiradartisten ihre Motoren aufheulen und knatterten durch unseren Waldweg. Nicht selten bogen sie dann in einen kleinen Waldfußweg ein, der auch viele Bodenwellen aufweisen konnte. Ich selbst nutzte diesen Weg manchmal zum joggen und musste immer wieder feststellen, dass genervte Anwohner Baumstämme über den Weg legten (was mich dann auch beim Joggen behinderte). Aber die dickeren Stämme wurden immer schnell wieder entfernt, die dünneren einfach überfahren und damit meistens zerstört. Da unser Sandweg im Zuge der Dorfstraßensanierung auch für die Umleitung des Schulbusses herhalten musste, wurde eine dicke Schotterdecke aufgetragen. Seitdem haben wir kaum noch Schlaglöcher und die Cross-Fahrer haben das Interesse verloren (dafür fahren die Autos jetzt schneller – es hat immer alles seine Vor- und Nachteile).

In manchen Sommern hatten wir auf einer privaten großen Wiese hinterm Dorf ein Indianerlager. Das war schon witzig. Da kamen Menschen aus allen Teilen Deutschlands zusammen, um einige Wochen in Tipis zu leben. Dafür wurden dann immer reichlich Dixi-Klos aufgestellt und eine große Fläche gemäht, damit die „Wilden“ ihre SUVs und Autoanhänger in der Zeit parken konnten. Der Weg, der zwischen Wiese und Wald verlief, wurde für den Durchgangsverkehr gesperrt. Es war sowieso nur die Verlängerung der Zufahrt zum Friedhof und wurde nur von wenigen Ortskundigen mit dem Auto genutzt. Dafür war er aber beliebt bei den Motor-Crossern. Und die waren so verärgert darüber, dass man ihnen die Durchfahrt verweigerte, dass sie ein etwas abseits geparktes Auto mit Hilfe ihrer durchdrehenden Hinterreifen und einer Schlammpfütze von oben bis unten einsauten. Ich war darüber ziemlich entsetzt, denn in der Pfütze gab es auch kleinere Steine, die alle gegen das unschuldige Auto geschleudert wurde. Die Aktion dürfte wohl einige, empfindliche Schäden am Lack verursacht haben.

Zusammengefasst sind die Motorradfahrer für mich die rücksichtslosesten Hobbysportler in unserer Region. Die Schäden an der Natur mögen sich in Grenzen halten, wenn man von dem ohrenbetäubendem Lärm mal absieht, der Vögel und Säuger gleichermaßen in die Flucht schlägt. Die Crosser benehmen sich, als ob es keine Lebewesen gibt, die unverhofft ihren Weg kreuzen könnten. Soweit ich weiß, ist bei uns noch niemand dadurch zu Schaden gekommen, und das ist ein großes Glück. Ich bin jedenfalls heilfroh, dass diese lauten und stinkenden Fahrzeuge bei uns nicht mehr oft auftauchen und bete, dass sie da bleiben, wo sie hingehören: auf eine Rennstrecke! Die Natur braucht sie nicht!