Angler

Wer die Augen schließt und an einen Angler denken soll, sieht einen gelassenen, bequem und zweckmäßig gekleideten Menschen, der in aller Herrgottsfrüh seine Rute an einem einsamen See auswirft, sich dann auf seinen Hocker setzt und stundenlang wartet. Idylle pur!

Wer die Augen schließt und an einen Jäger denken soll, sieht einen hochkonzentrierten, olivgrün uniformierten Menschen, der mit einer Waffe über der Schulter in aller Herrgottsfrüh die Wälder durchstreift, ein friedlich widerkäuendes Reh ins Visier nimmt und abknallt. Gewalt pur!

Angler mit Jägern zu vergleichen scheint auf den ersten Blick wie eine Gegenüberstellung von „sanft“ und „grausam“. Das ist aber nur unser Kopf-Kino und völliger Quatsch! Es geht bei beiden Beschäftigungen um das Töten von Tieren. Angler haben genauso aufgerüstet wie Jäger. Es geht nicht mehr darum, ob man das Tier erlegen kann, wenn es auftaucht. Es geht nur noch darum, ob es auftaucht. Die Zeiten, in denen Tiere eine Chance hatten zu entkommen, sind lange vorbei.

Mein verstorbener Mann war Angler aus Leidenschaft und konnte delikate Fischgerichte zubereiten. Was er erbeutet hatte, wurde gegessen, gerne auch mal schnell in Alufolie gewickelt im Lagerfeuer gedünstet (nur Salz und Pfeffer – köstlich!). Er ging selten auf „Fang“, aber seine Beute war stets auf die kulinarischen Freuden ausgerichtet. Mit dieser Art von Jagd konnte ich gut leben, obwohl ich sein Equipment immer als unglaublich überdimensioniert empfand. Mit der billigen Rute und dem frischesten Regenwurm fing er stets die dicksten Forellen.

Die Angler von heute sind mit Hilfsmitteln ausgerüstet, die dem Fisch keine Chance lassen. Die Köder sind perfekt an die Fischart angepasst, die Technik an der Rute wurde im Weltraumlabor getestet und zum Einholen der Beute stehen Schlauchboote mit Außenbordmotor startbereit im Schilf. Dabei  fällt mir ein, dass es tiefgekühlte Forellen für 4 € im Discounter gibt.

Es geht schon lange nicht mehr um den Kampf zwischen Mensch und Fisch. Es geht schon lange nicht mehr ums Essen. Es geht wie überall nur noch um „Wer hat den Größten?“. Bitte nicht falsch verstehen. Wir reden hier von „dem größten Fisch“, „der größten und teuersten Ausstattung“, „dem größten Abenteuer“, „den größten Entbehrungen“ (wie Regen und Kälte) oder einfach auch nur der großartigsten Lokation zum Angeln. Dabei wird vergessen, dass es sich bei Fischen um Lebewesen handelt, und dass Angeln nicht eine gesellschaftlich akzeptierte Form von Tiertötung ist (und zur Legitimation von Wild-Camping, aber dieses Thema bekommt ein eigenes Kapitel).

Liebe Angler, auch an Euch sende ich eine Bitte! Zurück zur Natur bedeutet, dass man die Chancengleichheit aufrecht erhält. Angelt weiter, wenn es Euch gut tut und ihr gerne den Fisch esst, den ihr fangt. Wenn ihr den Fisch nicht essen wollt, lasst ihn in Ruhe! Auch ein Haken, dem man dem Fisch wieder rauszieht, bevor man ihn zurück ins Wasser wirft, hinterlässt Schmerzen und eine (manchmal tödliche) Verwundung. Das ist einfach nur idiotische Tierquälerei! Angeln ist eine Jagdmethode zum Zweck der Nahrungsbeschaffung, aber kein Sport! Sonst wäre es olympisch!