Rabenvögel
Rabenvögel haben nicht den besten Ruf. Es gibt reichlich Schimpfwörter und –namen, die sich Krähen zum Vorbild nehmen. Die Bezeichnung „Nebelkrähe“ war in meiner Jugend ein Synonym für eine garstige, ältere, weibliche Person. Als „Spektakelkrähe“ bezeichnete man Leute jeden Alters, die entweder pausenlos redeten oder meckerten oder Unruhe verbreiteten. Dann gab es noch den „Unglücksraben“, der nicht näher erklärt werden muss. Überhaupt galt der Vogel als „unrein“, weil er sich auch von Aas und Abfällen ernährt, und als Pech-Symbol, weil er eben schwarz ist. Dabei gibt es auch Rabenvögel, die wunderbar bunt sind wie der Eichelhäher und metallisch glitzern wie die Elster.
Den meisten Menschen wird der Rabenvogel bekannt sein als Schwarmvogel, der sich auf abgeernteten Feldern in Massen herum treibt. Aber welche Krähenart das ist, wissen die wenigsten. Ich auch nicht, denn ich bin kein Ornithologe und habe nie ein Fernglas dabei. Inzwischen weiß ich, dass die Gruppen oft gemischt sind aus Saatkrähen, Dohlen und Nebel- und Rabenkrähen, manchmal sind auch Elstern vertreten. Allein die Tatsache, dass Krähen in großen Gruppen auftreten, ohne dass sich die Vögel bis aufs Blut behacken, ist eine beachtliche soziale Leistung. Überhaupt ist Streit unter den Vögeln eher selten zu beobachten. Wenn sie in Streitigkeiten verwickelt sind, dann eher mit anderen Vogelarten, denn Rabenvögel sind an Jungvögeln jeder Art kulinarisch interessiert. Und dann wird es richtig laut bei uns zwischen den Bäumen! Komischerweise schaffen es auch die kleinsten Piepmätze mit ihrem (oft gemeinschaftlichen) Spektakel, die Feinde ihre Jungen zu vertreiben. Umgekehrt können sich Krähen auch sehr effizient gegen Greifvögel zur Wehr setzen und sie in die Flucht schlagen. Ich habe Fotos, auf denen sich Krähen mit Bussarden, Milanen, einer Rohrweihe und sogar mit dem Seeadler anlegen.
Nachdem ich angefangen habe, die Vögel unserer Region abzulichten, sind mir die Rabenvögel immer mehr ans Herz gewachsen. Besonders der bunte Eichelhäher verblüfft mich immer wieder mit lustigen Posen, aber auch mit der Fähigkeit, Stimmen zu imitieren. Schon vor Jahren gab es in meinem Garten einen Vogel, der die Geräusche der Meerschweinchen nachmachte, die wir draußen in Ställen hielten. Er konnte auch das Miauen der Katzen, und in einem Sommer schrie er wie ein hungriges Menschenbaby. Das war schon ein bisschen „creepy“, wenn solche Laute aus den Bäumen kommen. Irgendwann habe ich den Stimmkünstler dann bei seinen Imitationen entdeckt.
Die Nebelkrähe begeisterte mich im Winter, als eine kleine Gruppe sich im starken Wind über der großen Wiese einfach treiben ließ und dabei zwischendurch akrobatische Kapriolen vollführte. Man hatte das Gefühl, dass die Vögel es einfach mal genossen, dass sie fliegen können, denn einen Sinn hatte das alles nicht. Es war einfach nur elegant.
Die Krähen in unserem Ort sind auch „Nussknacker“. Die Fertigkeit, Nüsse aus der Höhe auf den Asphalt krachen zu lassen, beschreibe ich bei den Nebelkrähen ausführlicher.
Es dauerte einige Jahre, bis ich in unserer Region auch Dohlen und Saatkrähen dokumentieren konnte. Leider sind sie selten, darum habe ich nur wenige Fotos. Aber die anderen Rabenvögel haben mich schon mit anmutigen und kuriosen Motiven beglückt.