Fuchs
Als wir vor über zwanzig Jahren ins Berliner Umland gezogen sind, hätte ich meinen Hund niemals frei im Wald laufen lassen. Es gab nämlich noch Tollwutfälle in der Region, und die Behörden ordneten an, Köder mit Impfstoffen für die Füchse auszulegen. Die Köder wären natürlich ungefährlich für einen Hund gewesen, aber ein tollwütiger Fuchs wäre es eben nicht. Auch wenn der Hund geimpft ist, sind Bisse eines aggressiven (weil durchgeknallten) Raubtieres sehr gefährlich. Aber erstens hatte ich damals keinen Hund und zweitens galt die Tollwut schon einige Jahre später als ausgerottet.
Dafür hatte meine Familie ein Zwergkaninchen und ein Meerschwein, die draußen lebten. Sie hatten einen feinen Stall für die Nacht, der 1,5 m über dem Erdboden stand, und ein schönes, 4 qm großes, mobiles Auslaufgehege. Bei Minusgraden im Winter kamen sie in ein Sonderquartier im Schuppen, wo es frostfrei blieb. Sie sind beide sehr alt geworden. Denn ihre „Wohnungen“ waren gut gegen Füchse gesichert. In einem Jahr hatten wir ein ziemlich räudiges Exemplar, das häufig unseren Garten besuchte und sich am Komposthaufen satt fraß. Aber es war immer hungrig genug, um bei den „Tierchen“ vorbeizuschauen und zu prüfen, ob unsere Obhut nachgelassen hatte. Pech für den Fuchs, aber er tat mir auch irgendwie leid.
Bis vor einigen Jahren hatten wir im Ort einen riesigen „Schandfleck“ – die alte Entenfarm, die nach der Wende aufgegeben wurde und verfiel. Das Gelände war fest in der Hand der Füchse. Eines Nachts, als wir mit dem Auto von einer Feier nach Hause kamen, tummelten sich auf der Straße an der Farm im Scheinwerferlicht 5 junge Füchse. Natürlich hielten wir an und erfreuten uns an der Unbekümmertheit der Welpen, bis ein ausgewachsenes Tier aufkreuzte und die Jungen von der Straße verjagte. Nun, besonders folgsam waren die Kleinen nicht! Fuchsmutter zu sein ist sicher kein Zuckerschlecken. Aber wir hatten unseren Spaß!
Auf der Wiese vor dem See gab es schon immer Sandhaufen, die darauf schließen ließen, dass dort „jemand“ seinen Bau hatte. Über eine längere Zeit war die Wiese eingezäunt und mit Rindern besiedelt, aber das störte den Fuchs nicht. Im Gegenteil! Unsere älteste Katze war oft auf der Wiese zu sehen. Wir vermuteten im Spaß, dass sie ein Rendezvous mit dem Fuchs hatte. Kann man ja nie wissen! 2013 hatten wir dann über ein paar Wochen das Vergnügen, am Fuchsbauausgang Welpen zu beobachten. Es waren unglaublich viele. Ich war zwar kein Spezialist für Füchse, aber irgendwie hatte ich noch die Kleinen von der Entenfarm im Hinterkopf und überlegte, ob vielleicht mehrere Fuchsfamilien den Bau benutzten. Inzwischen habe ich aber herausgefunden, dass Füchse bis zu 12 Junge bekommen können. Wow! Die arme Mutter, die so viele Kinder säugen und beaufsichtigen muss! Leider war dieses Spektakel schnell vorbei und hat sich leider bisher nicht wiederholt. Zu der Zeit hatte ich noch keine gute Kamera, und meine Handybilder sind (auch wegen der Entfernung) so miserabel, dass man grade mal einen rötlichen Fleck auf der noch hellbraunen Wiese erkennen kann. Schade!
Im Januar 2016 hatte ich ein außergewöhnliches Erlebnis mit einem Fuchs an der großen Wiese. Bei meinem täglichen Spaziergang kam aus dem Wald an der angrenzenden Wiese ein Reh und galoppierte auf die große Wiese, wo es stehen blieb. Auf dem Weg, der Wald und Wiese trennte, saß ein Fuchs! Warum er das Reh nicht bemerkt hatte, weiß ich nicht. Vielleicht interessierte es ihn nicht, oder er war satt. Vielleicht war es ihm aber auch einfach eine Nummer zu groß. Lustiger weise hatte wohl auch das Reh den Fuchs nicht bemerkt. Es stand auch eine kleine Kiefer zwischen den beiden. Aber es dauerte einige Minuten, bis das Reh sich entschied, doch über den Rest der Wiese abzuhauen (vielleicht hatte es mich gewittert). Der Fuchs blieb jedenfalls unbeeindruckt und trabte irgendwann lässig davon.
Am nächsten Tag war der Fuchs wieder an der gleichen Stelle. Diesmal war kein Reh in der Nähe, und mein Hund bat um eine Kontaktaufnahme. Es war schließlich ein entfernter Verwandter. Leider war der Fuchs nicht interessiert und suchte das Weite. Mein Hund war enttäuscht. Ich übrigens auch, denn den Fuchs habe ich an der Stelle nicht wieder gesehen.
Ab dem Frühjahr 2016 verfügte ich dann über ein gutes Teleobjektiv, das mir Wochen vorher exquisite Bilder beschert hätte. Aber wie das eben so ist: wenn der Fuchs unsichtbar bleiben will, sieht man ihn nicht. Erst im nächsten Winter hatte ich im Januar wieder Glück. Es herrschte Schneegestöber, und weder mein Hund noch ich wollten wirklich raus. Aber „wat mut, dat mut“ (wie die Norddeutschen sagen). Ich hatte die Kamera dabei, obwohl ich ein bisschen um ihre Funktionalität besorgt war. Aber was hätte ich mich geärgert, wenn ich sie daheim gelassen hätte. An der Wiese am See war ein Fuchs unterwegs, und wegen der Witterung konnte er mich und meinen Hund wohl nicht wittern (oups, ein Wortspiel!). In weniger als 20 m schlich er durch das Gras, und ich betete lautlos, dass mein Fotoapparat bei den Umständen nicht auf „Feuchtigkeitsmodus“ schalten würde und einfach nicht auslösen (sowas kommt vor). Manchmal werden Gebete erhört, und ich bekam ein paar sehr ungewöhnliche Bilder(auf dem ersten leckt er sich eine Schneeflocke von der Nase).
Irgendwann bemerkte er uns natürlich und nahm Reißaus. Mein Hund bemerkte ihn übrigens erst, als er schon so gut wie weg war.
1 Woche später traf ich einen Fuchs an der großen Wiese. Er war viel zu weit weg, um uns als Gefahr zu betrachten und hielt still für ein paar Bilder. Durch seine Gesichtsfärbung sieht er etwas melancholisch aus, aber dass er gesund und gut genährt ist, kann man nicht übersehen.
Ich weiß, dass Füchse inzwischen dreist und wenig scheu durch die Großstädte streifen und manchmal auch den Straßenverkehr gefährden. Auf den Autobahnen liegen am Rand auch gelegentlich leblose Exemplare. Der Fuchs hat sich zum Kulturfolger entwickelt, was mich nicht wundert. Er ist dem Hund ähnlich, und der hat sich ja bekanntlich aus dem Wolf entwickelt. Trotzdem hoffe ich, dass er uns als Wildtier noch lange erhalten bleibt. Und dass er weiter bei uns für Nachwuchs sorgt, auch wenn ihm nicht alle Anwohner wohlgesonnen sind (siehe meine Texte: Zurück zur Natur – Tierliebe). Im Sommer 2017 habe ich meinen Sohn in aller Herrgottsfrüh mal zur Arbeit gefahren. Auf einer Nachbarwiese am See tobten zwei Fuchskinder fröhlich herum. Bis ich zurück und mit der Kamera zur Stelle war, hatten sie sich schon verflüchtigt. Macht nichts, das Erlebnis zählt!