Igel
Der Igel gehört zu den heimischen Tieren, die jeder schon ab der Kindheit kennt. Es fängt spätestens im Kindergarten an, wenn zur Herbstzeit das Lied vom „Pi-, pa-, putzigen Igel“ geübt wird, oder man aus Kastanien und Zahnstochern kleine Stacheltiere bastelt. Der Igel ist der Inbegriff des Herbstes, weil er sich in einem Laubhaufen (gibt’s ja erst ab dem Herbst) sein Winterruhelager baut. Da die meisten Gartenbesitzer ihr Laub jedoch entsorgen, sucht er sich gerne Verstecke in Hecken, unterm Kompost, in Kellern oder Schuppen – was halt grade so da ist.
Natürlich ist der Igel auch im Frühjahr und im Sommer unterwegs. Er gehört zu den nachtaktiven Tieren, ist ein Säugetier und Insektenfresser. Weil er gerne Schnecken nascht, ist er bei Gärtnern überaus beliebt. Ich finde, bei uns gibt es zu wenige Igel (und darum zu viele Schnecken). Aber schuld daran sind wohl unsere Katzen. Als wir mal eine Zeit lang keine Katzen hatten, konnte man im Sommer jeden Abend das Schmatzen der drolligen Stachelkugeln im Garten hören. Sie waren wenig scheu und durchkreuzten in kleinen Trupps die Beete. Lange dachte ich, wir hätten gar keine Igel mehr in der Nachbarschaft, aber eines abends im Oktober 2016 hatte sich ein mittelgroßes Tier in unseren Garten verirrt. Mein Hund war außer sich: so eine Dreistigkeit! Er bellte wie verrückt und umkreiste den Eindringling, der genau das tat, was Igel immer tun, wenn Gefahr droht: er kugelte sich zusammen. Da mein Hund grundsätzlich aber nicht aggressiv ist, und der Igel keine Anstalten machte, vor ihm zu fliehen, war er bald nicht mehr interessiert. Natürlich rollte sich der Igel dann wieder auf und wollte sich davon machen (wenn auch wirklich sehr langsam, wie ich fand). Doch damit weckte er wieder das Interesse meines Hundes, und das Spiel ging von vorne los. Ich hatte also reichlich Zeit, so viel Licht wie möglich anzumachen, um ein paar verwertbare Fotos zu kriegen. Ich versuchte mehrere Programme, es war nicht einfach. Meine Kamera arbeitet nicht gerne im Dunkeln, auch nicht bei ISO 6400. Nun, es reichte, um den Igel zu präsentieren.
Ich freute mich, als im Juni 2019 mal wieder ein Igel auf meinem Grundstück auftauchte. Er kam in den frühen Abendstunden, als eigentlich das Licht für gute Fotos ausreichend gewesen wäre. Aber erstens war es an diesem Tag bedeckt, und zweitens besuchte der Igel eine der verstecktesten Ecken in meinem Garten. Ich wollte ihn auch nicht erschrecken und blieb auf Distanz. So wurden leider die meisten Bilder unscharf.
Abends am 01.September überraschte ich dann einen Igel (von der Größe her könnte es der gleiche gewesen sein) auf meiner Terrasse. Das ist an sich nicht ungewöhnlich, denn Igel naschen gerne Katzenfutter. Ungewöhnlich ist, dass nicht viel öfter ein Igel deswegen vorbei sieht. Dieser Igel kletterte dann sogar auf das Bodenkissen, auf dem ich gerne abends draußen sitze. Ich versuchte, die Dunkelheit auszutricksen und Fotos zu machen, und scheuchte den Hund weg. Aber dieser machte keine Anstalten, den „Eindringling“ zu verbellen. Im Gegenteil, er suchte „Schnupper-Kontakt“ wie mit einem Freund. Und der Igel flüchtete nicht panisch. Allerdings verzog er sich an die Terrassenwand und versteckte den Kopf. Ich sah rote Flecken an beiden Flanken des Tieres. Es sah nach Verletzungen aus, als hätte ein größeres Tier von oben zugebissen. Das mochte die Erklärung für das Verhalten beider Tiere sein (mein Hund ist sehr fürsorglich).
Ich hielt meine Taschenlampe so über meine Kamera, wie die Spezial-Agenten in den US-Krimiserien sie über ihre Pistolen halten, und es gelangen mir scharfe Bilder. Mein Hund und ich ließen den Igel dann in Ruhe, und er machte sich in einem angemessenen Igel-Tempo durch einen Spalt an der Terrassenwand davon. Ich war froh, dass ich ihn nicht am nächsten Morgen tot in meinem Garten fand. Bestimmt kommt er durch!