Wanderwege

Es gibt sie tatsächlich! Es gibt Großstädter, die mit der Bahn ins Grüne fahren, den Rucksack schultern und durch die Natur wandern. In der Regel haben sie Mehrwegflaschen oder Thermosflaschen mit Getränken dabei, die sie wieder mitnehmen, und ihre Vesper auch gleich in Brotboxen oder Tupperschüsseln verpackt. An dieser Stelle: Vielen Dank an alle umweltbewussten Naturliebhaber!

Leider sind sie in der Minderheit! Die meisten Frischluft-Suchenden kommen mit dem Auto. Und sie bleiben weder auf dem Asphalt noch parken sie an den dafür vorgesehen Stellen (auch „Parkplatz“ genannt), sondern befahren gnadenlos alle Wander-, Rand- und Feldwege, gerne brettern sie auch mal direkt durch den Wald, wenn es keine Schranke gibt. Und sie parken ihren Wagen an allen Stellen, wo keine Gefahr durch Beschädigung ihres kostbaren Auto-Unterbodens besteht.

Bei dem verhältnismäßig kleinen Wald direkt an unserem Haus (wir haben noch größere, ausgedehntere Wälder in der Umgebung) wurden vor einigen Jahren grünweiße Schranken an den breiten Waldeingängen angebracht, um das unbefugte Befahren zu verhindern. Es dauerte keinen Monat, da war die erste Schranke kaputt: die Stange verbogen, die Halterung aus dem Boden gerissen. Ich fragte mich, wer soviel aufgestaute Wut hat, denn so eine Stange ist ja kein Zahnstocher! Außerdem war es völlig unnötig, denn die Schranken ließen sich ohne Probleme öffnen. Schließlich muss der Förster ja auch mal durchfahren. Eine andere Schranke überlebte, was daran lag, dass sie fast immer offen stand. Aus irgendeinem mir unverständlichen Grund verlief der Zufahrtsweg für einen Grundstücksbesitzer durch den Wald (sogar einmal um die Ecke). Und dieser Autofreund ließ der Bequemlichkeit halber die Schranke eben gerne offen. Die dritte Schranke markierte das Ende einer kleinen Sandstraße, die zu einigen Wochenendgrundstücken führt, und als Sackgasse gekennzeichnet ist. Dort weiter zu fahren, bringt keinem Anwohner einen Vorteil. Der Bereich um die Schranke ist darum schon wieder fast vollständig im Besitz der Vegetation.

Es gab in der Gemeinde auch andere Versuche, den Autoverkehr auf der Straße zu lassen. Eine verbreitete Tradition in Deutschland ist das Aufstellen von Verbotsschildern. Es ist eine dämliche Verschwendung von Metall, denn Schilder kann man abreißen, samt Stange umschubsen oder ganz einfach klauen. „Wo kein Schild, da kein Verbot!“ Es interessiert doch keine Sau, ob das Parken im Uferbereich eines Sees aus naturschutztechnischen Gründen generell verboten ist. Wenn es kein Schild gibt, kann man sich dumm stellen. Und wenn es eins gibt, dann sorgt man eben dafür, dass es keins mehr gibt. Ganz einfach!

Die andere Seite der Medaille ist, dass die vernünftigen Wanderer kaum noch „unberührte“ Stellen finden. Selbst an offensichtlichen Wanderwegen finden sich Spuren von Lagerfeuern, wilden Partys mit dem zurück gelassenen Dreck und kaputten Glasflaschen, platt gefahrene Wiesen, zertretenes Gebüsch, Teppiche aus Papiertaschentüchern als Zeichen verrichteter Notdurft, Zigarettenkippenhaufen und gerne auch mal ein kaputter Klappstuhl.

Ich weiß, dass man nicht an die Vernunft oder Einsicht der Menschen appellieren muss. Das bringt gar nichts! Wenn man die Natur schützen und Naturliebhabern attraktive und naturbelassene Ausflugsziele anbieten will, muss man verhindern, dass Autos überall langfahren können. Das bedeutet, dass es unmöglich werden muss, an die begehrten Stellen heranzufahren. Denn diese Egoisten verabscheuen nichts mehr, als dass sie ihren Grill, die Verpflegung und Bierkisten, die Zelte und Schlafsäcke usw. irgendwohin SELBST TRAGEN müssen. Also müssen die Wege durch Hindernisse geschützt werden, die es unmöglich machen, einen Weg zu befahren, ohne dass massive Schäden am Auto entstehen. Am wirkungsvollsten sind Findlinge, die den Weg einengen, oder natürlich Bäume (aber die brauchen nach dem Pflanzen so lange, bis sie dick genug sind, um SUV-Fahrer zu beeindrucken).  Das gilt auch für dichte Vegetation, die ohnehin gerne der Zerstörungswut der Naturschänder zum Opfer fällt (dafür kann man im Auto ja auch eine Axt oder Heckenschere mitführen). Große Pflanzkübel aus Beton würden auch den Zweck erfüllen, wenn grade keine großen Felsen zur Hand sind. Oder man bearbeitet den Weg an sich, in dem man tiefe Schlaglöcher oder Bodenwellen herstellt, die keinen Radfahrer behindern, aber selbst einem Jeep keine Chance geben, ohne Aufsetzer die Schikane zu passieren. Alternativ kann man eine „Bordsteinkante“ anbringen, die so hoch ist, dass nicht mal ein Trecker sie überwinden könnte. Für Rad- und Rollstuhlfahrer und Kinderwagen kann man ja eine kleine Beton-Rampe gießen, für Fußgänger eine kleine Treppe.

Das alles kostet sicher nicht viel, aber es ist etwas Fantasie und natürlich der Wunsch nach Naturschutz gefragt. Außerdem würde ich es begrüßen, wenn ein paar mehr Sitzbänke entlang der Wanderwege aufgestellt würden. Ein bisschen Verständnis habe ich schon für Senioren mit eingeschränkter Wegefähigkeit, die, wenn sie schon so lange vom Auto bis zum Aussichtspunkt laufen müssen, sich dann am Ziel ein bisschen hinsetzen wollen (und dafür Klappstühle im Auto hätten).

Aber am liebsten hätte ich es, wenn jeder Ausflügler sich darauf besinnen würde, dass die frische Luft einfach viel frischer ist, wenn sie nicht durch Autoabgase verpestet wird. Zurück zur Natur? Bitte „natürlich“!