heimische Insekten

Eigentlich bin ich mir ziemlich sicher, dass Insekten Außerirdische sind. Sie haben wirklich ein bizarres und unheimliches Aussehen, wenn man sie genauer betrachtet. Zum Glück muss man das in der Regel nicht, denn die meisten Insekten sind klein, oft verborgen, oft lautlos, und viele können fliegen und sind damit zu schnell für einen scharfen Blick des menschlichen Auges. Aber sie sind nicht wirklich hässlich!

Die Menschen mögen Schmetterlinge, weil sie so harmlos und unaufdringlich und so schön bunt sind. Und sie essen Blütenstaub. Niemand kann schlecht sein, der Blumen liebt. Für Libellen ist die Sympathie nicht ganz so stark entwickelt, weil sie „schwirren“. Inzwischen ist bekannt, dass Libellen „Räuber“ sind, also trauen ihnen einige Menschen auch einen Stachel zu, der sich am Ende des langen, dünnen Körpers  befinden könnte. Aber Libellen sind farbenprächtig und glitzern metallisch. Die meisten sind auch ziemlich klein und wirken wenig bedrohlich. Ich kenne jedenfalls niemanden, der eine richtige Libellen-Phobie hat.

Dann gibt es die niedliche Biene, die den Menschen den süßen Honig beschert (und die Biene Maja hat Kultstatus). Aber sie hat einen Stachel, und wer gegen Bienengift allergisch ist, fürchtet das kleine Insekt zu Recht. Letzteres gilt auch für die Wespe, die zudem noch penetrant in Konditoreien die Plunderstücke belästigt und, wenn diese schon verkauft sind, eben auch die Konsumenten. Wer ahnungslos in ein Kuchenstück mit Wespe beißt und beides verschluckt, kann schon in eine lebensbedrohliche Situation geraten. Am meisten wird jedoch die Hornisse gefürchtet, aber völlig zu Unrecht, denn sie bevorzugt Aas, ist wenig aggressiv und kommt den Menschen selten ins Gehege.

Fliegen jeder Art werden auch nicht besonders geliebt. Sie machen lästige Geräusche, sind aufdringlich (das ist sogar sprichwörtlich: „aufdringlich wie eine Scheißhausfliege“) und landen auf allem, was stinkt und verwest. Und sie essen es! Okay, das will man sich nicht näher vorstellen, aber sorry: irgendjemand muss den Job doch machen! Ich habe nichts gegen Fliegen, wenn sie DRAUSSEN bleiben. In meiner Wohnung haben sie nichts zu suchen und sind zum Tode verurteilt, wenn sie partout den Ausgang durch ein geöffnetes Fenster ignorieren.

Über Mücken und Bremsen muss ich nicht weiter berichten. Die kann keiner leiden, nicht einmal die wilden Tiere. Sie sind eben Blutsauger und damit Parasiten. Ihre Stiche sind schmerzhaft, jucken und können sich entzünden, wenn das dämliche Insekt vorher an einem verkeimten Opfer gesaugt hat. Oder man den Stich versehentlich aufkratzt. Das gleiche gilt für diverse andere Stech-Insekten, die ich gar nicht alle kennen will, und natürlich für Läuse, Flöhe und Zecken. Gehören Parasiten eigentlich zu den 7 Plagen?

Apropos Plagen! In unserem Land leben Milliarden Heuschrecken und Grillen. Ihre „Gesänge“ im Sommer in den Wiesen gehen manchen Menschen auf die Nerven, aber sie sind so herrlich gleichförmig, dass zumindest ich damit super einschlafen kann. Wir haben richtig große „Heupferde“, aber die meisten Gattungen sind klein. Sie fallen nicht (wie in Afrika) in Schwärmen über unsere Natur herein, vernichten keine Ernten und verdunkeln nicht den Himmel. Wir haben Glück, und unsere Heuschrecken auch, denn sie werden toleriert und nicht bekämpft.

Kommen wir zu den Käfern. Die haben die unterschiedlichsten Aufgaben (Mistkugeln rollen, Aas fressen, Bäume schon im Frühjahr vom Laub befreien, Blattläuse melken usw.). Alle kennen den Marienkäfer, der Glück bringt. Vom Maikäfer haben viele schon gehört (seine Schokoladenform gehört zu Ostern ins Sortiment, obwohl er erst im Mai auftauchen könnte), aber die Jüngeren haben meist noch nie einen gesehen. Er war früher eine Plage und ist inzwischen so gut wie ausgerottet. Dann ist der Hirschkäfer bekannt mit seinem kräftigen Geweih, aber in der Natur ist er fast nicht mehr anzutreffen. Kakerlaken gibt es nur in der Großstadt und auch nur in Gebäuden. Sie gelten als Zeichen für Unsauberkeit, aber sie sind Unratvertilger, darum sollte man ihre Arbeit wertschätzen. Dann gibt es den „Ohrwurm“, der allerdings im Volksmund „Ohrenkneifer“ genannt wird. Es handelt sich um einen länglichen, schwarzbraunen Käfer, der am Hinterteil zwei Zangen hat. Den gibt es überall, drinnen und draußen, und er ist auch ganz harmlos, denn er kriecht NICHT in Menschenohren und kneift auch höchst selten. Er ist scheu und lebt verborgen. Wenn man ihn entdeckt, ergreift er panisch die Flucht. Aber ich mag ihn auch nicht, besonders nicht in meiner Wohnung. Weit bekannt ist auch der Mistkäfer, ein kugeliger, schwarz glänzender Geselle, der von Frühling bis Herbst im Wald anzutreffen ist. Oft liegt er auf dem Rücken und strampelt (ich weiß nicht, wie ihm so was immer wieder passiert), aber er ist ebenfalls harmlos, und ich bilde mir ein, dass es Glück bringt, einen Mistkäfer umzudrehen. Bleiben noch die Wanzen, über die es ein lustiges Volkslied gibt. Die Feuerwanzen in meinem Garten kann ich akzeptieren. Sie treten zwar in Massen auf, richten aber keinen Schaden an. Und sie stinken nicht! Gut, vielleicht tun sie es doch, aber sie landen nicht wie die grüne Stinkwanze auf meiner Schulter, die immer einen widerlichen Geruch verbreitet, wenn ich es wage, sie weg zu schnippen.

Natürlich will ich die Ameisen nicht vergessen. Ameisen sind ein Sinnbild für Fleiß. Für mich sind sie der Inbegriff für Belästigung. Nicht nur, dass jedes Jahr irgendwelche Spezialisten Zugang zu meiner Wohnung finden, in der Küche auf meiner Arbeitsplatte rumkrabbeln und mich zwingen, giftige Köder auf zu stellen. Nein, sie verhindern  ab Mai, dass ich bestimmte Routen durch den Wald mit meinem Hund gehen kann. In einigen Bereichen sind sie so zahlreich auf den Waldwegen vertreten, dass sie invasionsartig über alles herfallen, was die Wege benutzt. Ich könnte mich mit hohen Stiefeln schützen (wenn auch nur leidlich), doch den Hund greifen die Ameisen regelrecht an. Und der hat keine Schuhe und kann sich auch nicht wehren.

Bleiben zum Schluss noch die Spinnen. Kein Insekt ist mit so vielen Vorurteilen belastet wie die Spinne. Heimtückisch, hinterhältig, giftig, gattenfressend. Die Film-Staffeln von Biene Maja und Harry Potter haben da auch keine Lanze für das arme Insekt gebrochen. Dabei haben wir es in unseren Regionen nur mit harmlosen Varianten zu tun. Nicht einmal die Kreuzspinne, die als giftig katalogisiert ist, kann uns Menschen etwas anhaben. Doch Spinnen leben gerne auch in Wohnungen, da gehören sie nicht hin. Allerdings habe ich noch nie einen Weberknecht im Wald gesehen. Egal! Die Wenigsten mögen Spinnen, und wer sie mag, gilt als „Freak“ und ist auch sicher sonst irgendwie pervers. Nonsens! Es ist alles eine Frage der Epoche! Als Kind war ich im Urlaub auf einem Bauernhof. Die junge Bäuerin hatte kein Problem mit Mäusen, aber ihr grauste es vor Spinnen. Die alte Bäuerin entfernte alle störenden Spinnen mit der blanken Hand, aber der Anblick einer Maus trieb sie auf einen Stuhl. Warum? Weil zahlreiche Mäuse in ihrer Kindheit durch den Kot Krankheiten übertrugen und Lebensmittel stahlen (oft mit brutaler Energie), Spinnen jedoch nicht. Heutzutage sind Mäuse einfach niedliche Nager, denen man mit Lebendfallen zu Leibe rücken kann, wenn es nötig ist. Warum die Spinnen jetzt mehr Phobien auslösen als Fliegen, weiß ich leider nicht. Ich mag sie auch nicht, denn wenn ich durch den Wald gehe, laufe ich ständig in Spinnennetze, die irgendwie immer über die Wege gespannt sind – in Gesichtshöhe! Abseits der Wege finde ich Spinnennetze herrlich, besonders wenn sich im Morgentau an den Fäden die Sonnenstrahlen brechen. Und in meiner Wohnung sauge ich sie einfach weg!

Unabhängig von persönlichen Vorlieben: die Natur braucht Insekten, sonst wären sie sie schon längst nicht mehr da. Viechzeug in der Wohnung ist unangebracht, denn da gibt es für sie eigentlich keine ökologische Nische. Insekten sind für das ökologische Gleichgewicht draußen nützlich, denn neben vielen anderen Aufgaben bestäuben sie Blüten und dienen Vögeln als Nahrung. Das ist ja auch immer noch mein Trost, wenn die Mückenplage über meinen Garten hereinbricht: wenigstens haben die Vögel jetzt einen reich gedeckten Tisch!