Pferde

Alles Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde! So lautete eine Weisheit aus meiner Jugend, die von Witzbolden abgewandelt wurde: Alles Glück der Pferde ist der Reiter auf der Erde. Das fand ich witzig, obwohl ich Pferde mochte und selbst gerne viel öfter geritten wäre als nur ab und zu im Sommerurlaub. Aber in West-Berlin war Reiten was für Wohlhabende mit Wohnsitz im Grunewald. Davon war ich weit entfernt.

Man sagt, alle Mädchen wollen reiten, und zwar ab 10 Jahren. Das endet schlagartig, wenn sie 14 werden. Bei meiner Tochter traf das zu, und in den ersten Jahren ritten wir oft zusammen auf Miet-Pferden eines Reiterhofes im Nachbardorf. Unsere Reitlehrerin nahm es mit den Regeln sehr genau, wenn wir einen Ausritt machten. Wir benutzen nur Wege, die zum Reiten geeignet und zugelassen waren. Und wenn unsere Rosse im Ort oder auf Straßen Äppel verloren, dann liefen wir nach der Reitstunde mit einer Schubkarre hin, um sie einzusammeln. Das war in dem kleinen Ort Vorschrift, und ich fand das richtig. Gegenseitige Rücksichtnahme trägt viel zum Frieden in der Welt bei.

Bei uns im Ort gab es immer nur wenige Pferdebesitzer mit eigener Koppel. Die Meisten stellten ihre Pferde bei Reiterhöfen unter, wo sie versorgt wurden. Darum sah man nur selten Pferde oder Ponys in meiner Umgebung. Aber seit 2 Jahren wurden viele Flächen in Bauland umgewandelt und mit Einfamilienhäusern bebaut. Wenn man die Größe der Häuser berücksichtigt und den Anschaffungswert der Pkw, die davor parken, hat man keinen Zweifel, dass die neuen Bürger mit Geld gesegnet sind. Und wer Geld hat, kauft seiner 10-Jährigen eben ein Pony, statt sie auf die Miet-Pferde der Reiterhöfe zu setzen. Ist das Reitvermögen gut genug entwickelt und das Pony brav, darf die Prinzessin natürlich auch alleine ausreiten (oder mit der Freundin). Leider wird dabei vergessen, dass Jugendliche in der Regel nichts oder nur sehr wenig über Naturschutzvorgaben, Eigentumsgesetze und Vorschriften im Straßenverkehr wissen. Und von Rücksichtnahme sind privilegierte Heranwachsende leider auch meistens Welten entfernt.

Wenn ich nicht jeden Tag mit dem Hund gehen würde, würde ich das neu aufkommende Problem wahrscheinlich gar nicht bemerken. Aber so begegne ich nicht nur immer häufiger bei meinen Runden berittenen Spaziergängern, sondern sehe auch immer öfter die Pferdespuren und  die haufenförmigen Hinterlassenschaften.

Fangen wir mit den Spuren an. Pferde sind schwer, darum bevorzugen sie weichen Boden. Jeder Reitplatz besteht aus einem guten Sand, frei von größeren Unebenheiten. In der Natur gibt es reichlich weichen Boden, besonders auf Wiesen und im Wald. Aber dieser Boden ist tückisch. Löcher sind manchmal nicht zu sehen (weder vom Reiter noch vom Pferd), und bösartige Wurzeln können ein Pferd zum Straucheln bringen. Also bevorzugen die Ausreiter Wege, die nicht asphaltiert, aber von Autos bereits ausgefahren sind. Beide Gefahren für Ross und Reiter werden so umgangen. Wäre auch kein Problem, wenn die Berittenen den Mittelstreifen zwischen den beiden Fahrspuren benutzen würden. Das wäre sogar für die Pferde besser, denn diese schmale Schneise ist weicher (eben nicht festgefahren). Aber man reitet ja lieber nebeneinander, weil es sich so besser quatschen lässt, also auf den harten Spuren, die auch von Radfahrern oder Leuten mit Kinderwagen gerne benutzt werden. Pferdehufe zerstören die harte Schicht, und zwar immer und zwar sofort. Das Ergebnis ist nicht nur bei Trockenheit ärgerlich. Spätestens beim nächsten Regen wird der schöne Weg zu einer Schlammpiste, es entstehen Schlaglöcher und Vertiefungen. Diese Folgen sehen die Reiter nicht. Sie fahren dort ja nicht mit dem Fahrrad lang.

Das ist genau genommen Sachbeschädigung, nur dass ein befahrbarer Wald- und Wiesenweg leider keine „Sache“ ist. Die Folgen sind auch nicht so leicht zu beweisen. Und dagegen angehen könnte nur der Eigentümer, aber der kann ja „seinen“ Weg nicht Tag und Nacht beobachten. Das Hinterlassen von Pferdedung auf Wegen ist dagegen offensichtlich und immer eine Schweinerei! Hundehalter müssen ein Beutelchen mit sich führen und den Kot des Haustieres auflesen und vernünftig entsorgen (und bitte nicht den Beutel an einen Ast knoten, weil grade an der Stelle kein Mülleimer ist – Ihr Logiker!). Reiter haben keine Säcke dabei, um die Fäkalien ihrer Tiere mitzunehmen, wenn diese sie auf einem Gebiet fallen lassen, das anderen gehört oder von der Allgemeinheit genutzt wird. Dabei sind Pferde-Haufen mehr als das Zehnfache größer als Hundehaufen. Irgendjemand muss den Dreck wegmachen! Warum geht Ihr Reiter davon aus, dass andere für Euch die Arbeit tun? Es ist Euer Tier! Oder glaubt Ihr, dass der Straßenreinigungsdienst auch Privathaushalte bedient und Katzenklos säubert?

Zum Glück benehmen sich die meisten Reiter anständig und beschränken ihre Ausritte auf Wege, auf denen weder Bodenaufweichung noch Pferdeäpfel irgendjemanden stören. Die bereits erwähnten Jugendlichen sind da leider nicht so umsichtig. Kann natürlich auch sein, dass sie gar nicht in den Wald dürfen. Da kommt man als Elternteil ja so schlecht hin, wenn das Kind vom Pferd gestürzt ist, besonders, wenn man keinen SUV fährt und sich auch sonst in der Gegend gar nicht auskennt. Da müssen die Teens halt die Wege im Dorf bereiten. Schade, dass man ihnen nicht sagt, was erlaubt ist und was man vermeiden sollte. So ist es zwar für Ross und Reiter ein wunderbares Vergnügen, in den See zu reiten. Aber doch bitte nicht durch den Schilfgürtel, in dem im April die Wasservögel brüten!

Letzteres habe ich leider erlebt, und meiner Bitte, Rücksicht zu nehmen und umzukehren, sind die beiden Grazien zu Pferde leider nicht nachgekommen, trotz „Ja, okay!“ Ich musste nach 15 Minuten wirklich nochmal hin und die beiden anmeckern, bis sie endlich mit ihren Pferden den Schutzbereich verließen! Das bringt mich immer noch auf die Palme! Da ziehen Eltern in die schöne Natur, bauen für viel Geld ein Haus und kaufen dem Teenie-Töchterchen ein Pferd, aber sie haben nicht genug Umweltbewusstsein, um die Schönheit, die sie vorgefunden haben, auch zu erhalten. Es stimmt eben doch: die Stadtmenschen bringen die Stadt mitsamt Lärm, Dreck und Rücksichtslosigkeit immer mit, egal, wo sie auch auftauchen oder sich niederlassen. Das sehe ich ja jedes Jahr bei den Bade-Touristen. Aber bei den „Aussiedlern“ ist das Problem schlimmer. Ich mag Pferde, aber ihre Besitzer bräuchten auch einen Führerschein für den Gebrauch ihres Fortbewegungsmittels in der Öffentlichkeit. Das ist eigentlich eine geniale Idee, hoffentlich greift ein umweltbewusster Politiker sie mal auf.