Cowboys

Das Problem bei Leuten, die meckern, ist oft, dass sie nicht alles wissen. Sie kennen die Hintergründe nicht und nicht die zuständigen Behörden, nicht die Eigentümer, Nutznießer, Verträge, Absprachen, Gewohnheiten und – ach, ich weiß nicht, was sonst noch! Wenn man meckert, stört einen etwas, auch wenn man eigentlich keine Ahnung hat.  Und ohne konkrete Lösungsansätze bleibt es eben nur „meckern“, und nicht „verändern“.

Weil ich eigentlich keine Ahnung habe, wie das hier in meinem Dorf und der Umgebung so mit den Nutzungs- und Eigentumsrechten und den Umweltvorgaben läuft, werde ich auch nicht meckern oder jemanden anprangern. Aber es hinderte mich nicht, ein paar Bemerkungen über Beobachtungen zu verlieren, die mich erheitern könnten, wenn Geschöpfe der Natur nicht darunter leiden müssten. Zu abstrakt? Na, dann werde ich mal konkret. Und ich beschränke mich auf das, was ich weiß und gesehen habe, und vermeide Mutmaßungen!

Vor  etwa 15 Jahren wurde die wilde Wiese, die zwischen meinem Zuhause und dem See liegt, eingezäunt. Sie ist Privatbesitz. Auf dem riesigen Areal wurden Rinder angesiedelt, deren Männchen lange, kräftige und spitze Hörner hatten. Später kam auch noch ein Pferd dazu. Die Tiere hatten eine  Wasserquelle (wie die Kühe im Kuhstall) und waren ansonsten sich selbst überlassen. Wir haben einmal ein Kalb verenden sehen, und konnten nicht helfen, weil wir die Wiese nicht betreten durften und auch nicht wussten, wen wir hätten benachrichtigen müssen. Das Pferd wurde irgendwann durch ein Rinderhorn schwer verletzt und verschwand. Kurz danach war auch die Rinderherde weg, und der Zaun löste sich auf. Damals hat mir jemand erzählt, dass Leute, die Weiden oder Felder besitzen und sie für Viehzucht exotischer Arten nutzen, Geld von der EU bekommen. Das erschien mir logisch als Erklärung für die ganze Aktion. Aber nicht sinnvoll! Insgesamt war ich einfach nur froh, dass ich die Wiese wieder überqueren konnte, statt fast 1 km Umweg zu laufen, um an den See zu kommen, der vor meiner Haustür liegt.

Wahrscheinlich hätte ich das alles längst vergessen, wenn nicht eine neue Kuh-Weide bei uns entstanden wäre, und zwar ausgerechnet auf meiner geliebten großen Wiese. Und an einer so bekloppten Stelle. Nein, dass ist Quatsch, auf dieser Wiese gibt es keine gute Stelle für eine Kuh-Weide. Ich will mal die Lage beschreiben und liefere auch eine Skizze (leider ist das Gelb der großen Wiese nicht so knallig, wie geplant, ist eher weiß geworden). Die Wiese ist am nordöstlichen und südöstlichen Rand von Wald eingesäumt. An der westlichen Seite führt ein seit Jahren ausgefahrener Sandweg entlang, der als Straße benutzt wird. In seiner Verlängerung führt er zum Nachbarort A. Es gibt am nordöstlichen Rand einen Weg, den eigentlich nur der Förster braucht und der von der Sandstraße abzweigt. Für jeden umweltbewussten Autofahrer ist sofort klar, dass es kein öffentlicher Weg ist. Der Weg geht auch erstmal „bergauf“ und ist für Pkw nicht geeignet. Trotzdem haben gelegentlich Wohnmobile die „Auffahrt“ genutzt, um ihr Fahrzeug am Wald- und Wiesenrand für eine Nacht „inmitten der Natur“ zu parken. Aber das ist jetzt nicht das Thema. Die Auffahrt an sich ist für die Unversehrtheit des „Unterbodens“ von Autos gefährlich.

Die südliche Seite der Wiese ist durch kleine Bäume und Büsche von einer (katastrophalen) Sandstraße getrennt, die zu einem anderen Nachbarort (B) führt. Die Straße wird kaum benutzt. Und es gibt keinen Weg, der zur südöstlichen Seite der Wiese führt. Aber genau dort ist die Kuhweide! Die Betreiber der Kuh-Weide (die gehören zu einem Institut, das in seinem Namen das Wort „Ökologie“ führt, jedenfalls glaubt das eine Freundin von mir zu wissen und ist plausibel) haben ihren Standort an der weiterführenden Straße zum Nachbarort A. Dort steht auch ihr Fuhrpark auf einem Gelände mit Stacheldraht-bewehrten Zäunen. Die abgegrenzte Weide für die Kühe ist nicht sehr groß, also müssen die Betreiber zu füttern und täglich Heuballen zu den Tieren bringen. Und Wasser in Containern. Sie fahren also die Straße hoch nach Norden, entlang der westlichen Wiese, biegen dann auf den nördlichen Weg (der inzwischen fast Straßenqualität hat), biegen dann vor der östlichen Waldbegrenzung ab, fahren diese entlang  und haben auf der wilden Wiese so einen Weg geschaffen, den es vorher nicht gab, auf dem aber die nächsten hundert Jahre auch nichts mehr wächst! Und weil die unebene Auffahrt so manches Transportauto den Auspuff gekostet hat, haben die Vieh-Hirten mit ihren Wagen einen neuen Weg geschaffen. Zunächst ging er nur von einem Punkt der westlichen Straße einfach auf die Wiese, um dann (frei von Unebenheiten) auf den Weg am nördlichen Rand einzubiegen. Irgendwann, war den Fahrern jedoch dieser Schlenker zu viel, und sie fuhren sich einen Parallelweg zur westlichen Straße bis zum Ende der großen Wiese, wo sie dann auf den Wirtschaftsweg zu ihrem Firmenstandpunkt stießen.

Nach was hört sich das an? Nach Zerstörung von natürlichem Lebensraum. Anfangs habe ich mich auch nur über die Fahrzeuge geärgert, die so rücksichtslos alles platt fuhren. Aber dann fiel mir auf, dass die Kraniche die Wiese nicht mehr besuchten. Auch der Storch blieb weg. Die Feldlerche wich auf andere freie Flächen in der Nähe aus. Und Rehe weideten hier auch nicht mehr. Es lag bestimmt nicht nur an den Kraftfahrzeugen, die ich nur ein Mal täglich antraf. Autos fuhren auch auf der westlichen Straße immer wieder, parkten dort gelegentlich mal, und die Insassen stiegen aus und ließen ihre Drohnen fliegen. Bestimmt waren die Kühe, deren Geräusche und deren „Abfälle“, die Einzäunung und der Geruch von Zivilisation ebenfalls ein Grund. Der natürliche Frieden der Wiese war dauerhaft gestört.

Auch wenn mich das traurig machte, ich konnte nichts dagegen tun. In „Wessiland“ hätte ich vielleicht erfolgreich eine Initiative zur Rettung der großen Wiese gründen können, aber im „wilden Osten“ ist leider immer noch alles „erlaubt“ oder geduldet, was nicht einen Großeinsatz der Polizei rechtfertigt. So ertrug ich die Trecker, Bagger und Kleintransporter auf meinen „Hunderunden“, wich den Fahrzeugen aus und grüßte die Fahrer freundlich. Die machen ja auch nur ihren Job.

An einem Tag im Mai standen plötzlich rot-weiße Stangen an den „Einfahrten“ zur großen Wiese. 3 standen an der südwestlichen Ecke, welche die Kuh-Hirten gelegentlich als Einstieg in die „Parallelstraße“ benutzten, 3 an der Stelle, an der die Fahrzeuge von der westlichen Straße auf die große Wiese abschwenken, um den Unebenheiten an der Anhöhe zu entgehen. Und 2 standen an der Anhöhe, so dass diese auch für den Förster nicht mehr aus Zufahrt zu benutzen war. Ich war baff! Hier wollte offensichtlich jemand signalisieren: keine Autos mehr auf der großen Wiese! Das fand ich natürlich grundsätzlich toll, aber erstens waren die Stangen in der freien Natur nicht grade ein „Hingucker“. Zweitens war die große Wiese endlos lang, so dass 8 Stangen nicht wirklich ein Hindernis darstellten. Und Drittens erinnerte mich das sofort an den kindischen Kleinkrieg zwischen meinem Chef und der Hausverwaltung, bei dem monatelang unsere Tesa-Klebehinweisschilder für den Türöffner vom Hausmeister von der Messingtafel entfernt wurden. Anstatt miteinander zu reden, werden Tatsachen geschaffen, auf die die „Gegenseite“ reagieren muss.

Die Reaktion der Kuhhirten wusste ich schon, bevor ich die Spuren sah. Sie fuhren sich einfach an der westlichen Straße einen neuen Zufahrtsweg, um die Anhöhe zu umgehen. Um genau zu sein: das geschah gleich am Folgetag beim nächsten Versuch, die Kühe zu füttern. Mein Sohn meinte, das wäre doch nicht unser Problem, und eigentlich hat er Recht. Aber jetzt fahren die Cowboys noch mehr Anteile von der Wiese kaputt. Und ich ärgere mich mal wieder über überflüssigen Schwachsinn in unserer Gesellschaft!

1. Wenn ich eine Wiese besitze, die ich nicht nutze (außer vielleicht 1 x mähen im Jahr für die Herstellung von Heuballen), und sie dann teilweise an jemanden verpachte, dann mache ich einen Vertrag mit dem Pächter. Und in diesem Vertrag ist geregelt, wie das Areal genutzt werden darf. Mit ein bisschen Gehirn gesegnet überlege ich auch vorher, ob sich das mit den vorhandenen Gegebenheiten und geltendem deutschen Recht vereinbaren lässt.

2. Wenn der Pächter sich nicht an die Vereinbarungen hält (wie auch immer), suche ich zunächst das Gespräch, um die Probleme zu beheben.

3. Wenn das nichts hilft, kündige ich den Vertrag wegen Vertragsbruchs!

4. Wenn der Pächter aber nur Freiräume nutzt, die nicht geregelt sind, und mir das nicht passt oder das Umweltamt Ärger macht, suche ich auch das Gespräch, um Lösungen zu suchen. Und ich stelle nicht völlig nutzlose Metallpfähle auf, die gar nichts verhindern, sondern dazu provozieren, sie auf Kosten der Natur zu umfahren (auch Metallstangen kosten Geld)

5. Wenn ich schon solche Stangen aufstelle, dann kontrolliere ich auch, ob sich der Sünder daran hält!

Ich ärgere mich über beide Seiten! Die ganze Aktion mit den Metallstangen hat nur dazu beigetragen, dass die Wiese noch mehr von ihrem wilden, natürlichen Charakter verliert. Hoffentlich kommen die Kühe da bald weg. Ich mag Tiere aller Art, aber man muss nicht den Lebensraum von wilden Tieren beschränken, um exotischen Tieren ein künstliches Territorium zu schaffen. Geld ist nicht alles.