Schwarzschwan

Hin und wieder begleite ich meine Mutter und ihren Lebensgefährten bei einem Ausflug. Sie sind wirklich rüstige Rentner und lieben es, das Umland zu erkunden. Ich glaube, es gibt kein "Nest" (Dorf)  im Abstand von 30 km rund um Berlin, das sie nicht schon mindestens durchfahren haben, und kein Lokal, in dem sie nicht mindestens einen Kaffee zu sich nahmen. Und sie entdecken dabei tolle Ecken.

Im vorletzten Jahr nahmen sie mich an einem sonnigen Novemberwochenende mit nach Wiesenburg. Dort gibt es ein Schloss, das allerdings in Privatbesitz ist und sogar bewohnt wird. Man kann es nur von außen besichtigen. Aber der riesige Schlosspark ist frei zugänglich, und der ist wirklich malerisch, besonders wenn das Laub der Bäume so schön bunt in der Sonne leuchtet. Ich hatte meinen Fotoapparat dabei (natürlich), hoffte aber nicht auf Tierfotos. Gleich hinter dem Schloss konnte man von einer großen Terrasse über einen Teil des Parks und auf den Park See blicken. Auf dem See dümpelte ein Schwan. Auf der Wiese dahinter putzen sich zwei dunkle Schwäne ausgiebig. Wegen der großen Entfernung hielt ich sie für Jungvögel. Ich machte aus Gewohnheit ein paar Bilder.

Wir liefen durch den Park und bestaunten riesige Bäume, die dem Sturm in jenem zum Opfer gefallen waren. Wenn man Zeit hat und will, kann man in der Natur viele Kuriositäten entdecken. Während meine Senioren Laub und Bäume bestaunten, ging ich langsam vor zum Park See und war ziemlich verblüfft. Die Schwäne, die ich für Jungvögel gehalten hatte, waren Schwarzschwäne. Ich war sehr aufgeregt und machte Fotos ohne Ende.

Da auch ein paar kleinere Vögel bei ihnen waren, hoffte ich auf Jungvögel. Das war natürlich ein bisschen sehr euphorisch, denn im November sind Schwanenkinder schon so groß wie die Eltern. Aber von Schwarzschwänen wusste ich ja gar nichts, nicht einmal, dass es sie in Deutschland gab! Die „Jungtiere“ entpuppten sich zu Hause am PC dann als Nilgänse.

Um näher heran zu kommen, umrundete ich den See. Es wunderte mich etwas, dass außer mir und meinen Begleitern niemand die Sensation zu würdigen wusste. Erst am Abend (zu Hause am PC) fand ich heraus, warum, aber dazu später. Dass es sich um ein Paar handelte, war offensichtlich. Nur ein Vogel hatte weiße Federn im Schwanzbereich. Dieser war auch ein wenig größer als seine Partnerin. Sie verbrachten wirklich Ewigkeiten mit der Gefiederpflege und standen dabei teilweise nur auf einem Bein.

Oft spreizten sie beim Putzen die Flügel ab, wobei die breite, weiße Unterflügelbinde im Gegenlicht leuchtete. Die Binde hatten beide Vögel. Links steht das Weibchen.

Ich knipste auch ganz ungewöhnliche akrobatische Einlagen. Auf dem nächsten Bild kratzt sich der Herr mit dem Fuß am Auge. Auf dem übernächsten Bild stützt er mit dem Fuß den Flügel, während er den Flügelansatz bearbeitet.

Irgendwann war dann das Styling vollendet, und das Paar begab sich ans Wasser, um zu trinken. Dabei mussten sie zum Schlucken den wellenförmig gebogenen Hals aufrichten.

Wenn ich Schwan wäre und ins Wasser wollte, wäre ich gleich an dieser Stelle in den Teich geglitten. Aber das Paar watschelte noch einige Meter weiter. Warum, wissen sie nur alleine.

Daran, dass sich der Herr noch einmal die Federn zu Recht schütteln musste, kann es eigentlich nicht gelegen haben.

 

 

 

 

 

Er übernahm allerdings danach die Führung!

Irgendwann trieb man dann nebeneinander im Wasser, aber nicht lange.

Das Männchen paddelte voraus und näherte sich dem Höckerschwan. Es gab keinen Anhalt für einen Rivalitäts-Konflikt (der Weiße zog nicht einmal seinen abgestreckten Fuß ein). Ich zeige die Bilder auch nur, um die nicht so offensichtlichen Unterschiede (wie z.B. die Farbe) zu demonstrieren. Der Höckerschwan ist größer, kräftiger und irgendwie kompakter. Aber es ist unübersehbar, dass sie zur gleichen Sorte gehören.

 

Das Weibchen machte sich derweil auf, an der Ufervegetation Nahrung zu suchen. Scheinbar ist der krumme Hals bei der Nahrungsaufnahme ein Markenzeichen der Schwarzschwäne.

Das Männchen (im Vordergrund, begleitet von einer Stockente) demonstriert das auch noch einmal, aber entweder trinkt es nur, oder es filtert Mikroorganismen aus dem Wasser.

 

 

Ab hier kommen meine Starfotos. Das Männchen näherte sich der Plattform am Wasser, die ich inzwischen erreicht hatte. Es kam so nahe heran, dass ich mit meinem Teleobjektiv fast Probleme bekam. Die letzten 3 Bilder sind nur minimal gezoomt!

 

 

 

 

 

Irgendwann zog es das Männchen wieder zurück zu seiner Gefährtin, die wahrscheinlich bereits satt war.

Natürlich war ich sehr neugierig, was so ein exotischer Vogel in Wiesenburg verloren hatte. Zu Hause fragte ich das Internet, und es hatte natürlich die gewünschte Antwort. Alex und Elli wurden vor etwa 4 Monaten eingebürgert. Die Art heißt auch Trauerschwan und stammt ursprünglich aus Australien. Allerdings soll es (ebenfalls durch Einbürgerung) Populationen in den Niederlanden gebe.

Ein Mal Luft holen! So schön, wie ich meine Bilder auch finde, ganz ehrlich: „Tut dat Not?“ (norddeutscher Dialekt, sinngemäß: "Muss das sein?"). Denkt eigentlich irgendjemand mal drüber nach, dass ein Paar sich vermehrt, und dass die Nachkommen keine passenderen Gefährten finden als die eigenen Geschwister? Und was bei Inzucht passiert, ist schon lange wissenschaftlich erforscht! Das trübt mein Erlebnis doch ziemlich. Unabhängig davon  erinnere mich dankbar an einen wunderschönen Tag mit meinen beiden lieben, alten Herrschaften. Wiesenbug ist wirklich einen Ausflug wert!